Erzählperspektiven

Personaler Erzähler, personale Erzählperspektive

Übersicht

Im Gegensatz zu Autor und Leser befindet sich der Erzähler innerhalb der Geschichte. Den personalen Erzähler kann man sich so vorstellen, dass er eine Kamera auf dem Kopf hat, durch die der Leser das Geschehen sieht, wobei die Kamera ggf. auch in die Gedankenwelt ihres Trägers schauen kann. Er ist - und das unterscheidet ihn vom auktorialen Erzähler - auch Teil des Geschehens. Die Geschichte wird aus der Sicht einer Figur erzählt, wobei sich der Erzähler aber nicht direkt in die Figur hineinversetzt (dann Ich-Erzähler). Der Erzähler begrenzt sich lediglich perspektivisch auf die Figur. Diese Perspektive ist mithin limitiert. Die Figur, aus deren Perspektive erzählt wird, wird auch als Reflektorfigur bezeichnet. Sie hat sozusagen einen Spiegel in der Hand hat, mit dem sie dem Leser das Geschehen und ggf. die Gefühle und Gedanken widerspiegelt. Die Figur wird beim Namen genannt oder als sie oder er bezeichnet. Der personale Erzähler wird daher auch als Er- oder Sie-Erzähler betitelt.

Die personale Erzählperspektive ist die jüngste der vier Erzählperspektiven. Es gibt auch den personalen Ich-Erzähler. Auf diesen wird beim Ich-Erzähler näher eingegangen.

Eigenschaften des personalen Erzählstils

Der personale Erzählstil ist auf die Figur beschränkt, aus deren Sicht die Geschichte erzählt wird. Der Erzähler kann nur mitteilen, was diese Person denkt, sieht und fühlt oder was dieser Person von anderen erzählt wird. Es ist allerdings auch möglich, die Perspektive zu wechseln und eine Geschichte aus der Sicht einer anderen Figur (weiter) zu erzählen. Dann liegt eine (personale) Multiperspektive vor. Beschränkt sich der Autor auf eine Figur, ist es nicht möglich, in die Köpfe anderer Personen zu schauen. Auf alle anderen Figuren besteht also nur eine Außensicht. Der personale Erzähler kann allenfalls Spekulationen anstellen.

Stilistisch wird beim personalen Erzähler regelmäßig auf die erlebte Rede und innere Monologe zurückgegriffen. Dies liegt daran, dass so die Gedankenwelt der Figur, aus deren Sicht die Geschichte erzählt wird, transportiert werden kann.

Wirkung und Verwendung

Durch die Beschränkung auf das Wissen und Fühlen einer Figur tritt der personale Erzähler derart in den Hintergrund, dass der Leser den Erzähler weniger bemerkt. Dies kann soweit gehen, dass der Erzähler gar nicht als solcher wahrgenommen wird. Dieses Gefühl wird dadurch verstärkt, dass der Erzähler auch keine Wertungen bzw. Kommentare vornimmt (jedenfalls in der Reinform der personalen Erzählperspektive). Auch die Verwendung der erlebten Rede oder innerer Monologe lassen den Erzähler stark verblassen.

Gleichzeitig führt die Beschränkung der Erzählperspektive dazu, dass sich der Leser gut mit der Person identifizieren bzw. mit ihr mitfühlen kann. Es ensteht eine Bindung zwischen Leser und Figur, wobei eine Rest-Distanz erhalten bleibt, da der Erzähler über die Figur, aus deren Sicht erzählt wird, als »Er« oder »Sie« spricht.

Ein im personalen Erzählstil verfasster Text wirkt auf den Leser in der Regel sehr subjektiv. Das liegt daran, dass das gesamte Geschehen nur aus dem Wissen und Fühlen einer Figur dargelegt wird. Ob die Figur die richtigen Schlüsse zieht oder die Wahrnehmungen ungetrübt sind, erfährt der Leser nicht oder erst zu einem bestimmten Zeitpunkt. Der Erzähler ist also nicht so »verlässlich« wie etwa der auktoriale Erzähler.

Der personale Erzähler wird beispielsweise verwendet, um einen Hauptcharakter zu begleiten, der es – aus welchen Gründen auch immer – nicht leicht im Leben hat. Das wohl berühmteste Beispiel ist Kafkas »Der Prozeß« von 1925. Oft geht es um Außenseiter, die mit sich oder der Welt mehr schlecht als recht klarkommen. Der auktoriale Erzähler ist demgegenüber eher der Welterklärer, während der personale Erzähler oft auf der Suche nach einer Erklärung ist.

Die personale Multiperspektive eignet sich dazu, ein (moralisches) Problem von verschiedenen Seiten zu beleuchten. Der Autor nutzt zwar die personale Erzählperspektive, erzählt die Geschichte aber aus der Sicht mehrerer Figuren, die möglicherweise komplementäre Auffassungen zur behandelten Thematik haben.

Gibt es mehrere Handlungsstränge, kann der Autor durch Verwendung der personalen Multiperspektive von Strang zu Strang springen.

Die größte Gefahr der Verwendung der personalen Erzählperspektive ist die Monotonie. Es liegt auf der Hand, dass eine Geschichte, die dreihundert Seiten lang ist und nur aus der Perspektive einer Figur erzählt wird, schnell langweilig werden kann. Das sollte der Autor immer im Auge behalten. Auch ist es schwierig, dem Leser das allgemeine Setting bzw. Hintergrundwissen mitzuteilen. Dieses muss der Autor entweder in die personale Erzählperspektive einflechten oder er springt zuweilen zum auktorialen Erzähler.

Beispiel

Schauen wir uns den personalen Erzähler anhand eines Beispiels an:

Seinen Blick fest auf das Smartphone gerichtet, schlenderte Luca den Gehweg entlang. Er gehörte zu jenen Menschen, die alles um sich herum vergaßen, sobald sich das Telefon bemerkbar machte. Er hatte eine Nachricht bekommen, die bei ihm nur wenig Begeisterung hervorrief. Aus dem Augenwinkel sah er, dass er direkt auf irgendein Hindernis zusteuerte. Er verlangsamte seine Schritte, als er eine weibliche Stimme rufen hörte. Er blickte auf die gegenüberliegende Straßenseite und sah in einem Café ein junge Frau sitzen. Hatte sie gerufen? Sie blickte jedenfalls in seine Richtung und schien Interesse an ihm zu haben.

Die Perspektive des Erzählers ist hier auf die Wahrnehmungen und Gedanken (Außen- und Innenwelt) von Luca begrenzt. Dass Marie in einem Café gegenüber sitzt und er auf ein Hindernis zusteuert, muss er selbst wahrnehmen, während der auktoriale Erzähler diese Fakten einfach mitteilen kann. Dass Marie Interesse an ihm hat, muss Luca ebenfalls selbst schlussfolgern.